Gespräch mit den beiden Gründern von Norwegian Rain

Eure Regenjacken sind von der japanischen Mode inspiriert. Woher kommt die Faszination?

T-Michael: Ich fühlte mich schon früh zur britischen Schneiderei hingezogen. Man kann das Offensichtliche etwas zurücknehmen, tiefer in die Materie einsteigen und den Augenmerk auf die Dinge zu legen, die eine Bedeutung haben. Also nimmt man die Dinge Stück für Stück auseinander – und irgendwann habe ich gemerkt, dass es dem, was die Japaner in ihrer Schneiderkunst umsetzen, sehr sehr nahe kommt. Es geht um diese Wertschätzung, die im Detail verborgen liegt.

Alexander: Japan hat uns beide aus verschiedenen Gründen fasziniert. Und dann wurden sie auch tatsächlich zu unseren ersten Kunden.Damals waren wir in drei Räumen in einem Untergeschoss in Mailand untergebracht – um uns herum roher Beton. Wir haben einfach das gemacht, was wir für inspirierend hielten. Räume geschaffen. Die Leute, die zu uns kamen und nach Kleidungsstücken suchten, wurden in unserem ersten Raum nicht fündig – dort hing nämlich nur eine Pflanze von der Decke. Die meisten Leute liefen nur hektisch hindurch. Aber die Japaner begegneten uns mit purer Neugierde und begannen bereits im zweiten Raum viele Fragen über die dort ausgestellten Kleidungsstücke zu stellen. Wie es sich in Norwegen lebte, wollten sie wissen, sie wollten es wirklich verstehen. Durch ihre Neugierde wollten sie dieses tieferliegende Verständnis erlangen. Wie Michael schon sagte, sie tauchten tiefer und tiefer in die Materie. Sie bewerteten auf einer ganz anderen Ebene. Der Rest der Welt fragte eher: OK, wie hoch ist der Preis? Wo verkaufen Sie? OK, vielleicht. Und dann gingen sie wieder. Es sind also zwei vollkommen verschiedene Welten. Von da an wuchs die Faszination und die Liebe zu Japan – und wurde seitem immer stärker.

T-Michael: Es war eine Fleißarbeit. Wir waren auf der Suche nach dem Besten des Besten usw. und haben schnell gelernt, dass man vermeintliche Tatsachen überprüfen muss. Unsere Neugier hat uns geholfen, nicht aufzugeben und uns nicht so schnell zufrieden zu geben. Heute erscheint uns das alles sehr, sehr offensichtlich und fast schon kalkuliert. Aber auch wir tappten anfangs im Dunkeln, und dann wurde unser Weg immer klarer. Heute wissen wir, wohin wir zuerst hingehen müssen und suchen von dort aus weiter. Unsere Messlatte hängt aber weiterhin sehr hoch, es ist bloß einfacher geworden, weil wir bereits viel Erfahrung sammeln konnten.

Alexander: Man gräbt und gräbt und gräbt, um am Ende etwas Gutes zu finden. Das haben wir getan und am Ende war es Japanisch.

 

Was inspiriert euch? Habt ihr Vorbilder?

Alexander: Für mich gibt es nicht das eine Vorbild. Ich glaube nicht, dass ich jemals eins hatte. Also ist es für mich eher so, von Menschen inspiriert zu werden, die Dinge anders angehen als andere. Es hat also nichts mit Kleidung oder Design zu tun, es geht mehr um die Leute, die es schaffen, Dinge zu tun und eine Welt um sich herum aufzubauen, die einzigartig ist. Es fasziniert mich immer wieder, wenn Dinge scheinbar nicht möglich sein sollten und Menschen es schaffen, dass sie dennoch funktionieren.

T-Michael: Das ist das Schönste – wenn es trotzdem funktioniert. Ich bin schon seit 15 oder 16 Jahren im Geschäft und mache diese Schneiderei. Ich denke, Kleidung ist ein Ausdruck dessen, wofür man glaubt, zu stehen. Das war schon immer so. Man zieht sich so an, wie man sich anzieht, weil jemand gesagt hat, dass es eben so ist, die Mode so ist usw. Dann kommen die Leute an einen bestimmten Punkt und fangen an, sich auch auf eine bestimmte Art und Weise zu kleiden. Das ist auch ein Spiegelbild. Jetzt kommen wir zum zweiten Punkt. Wir haben keine Richtung, der wir folgen können. Deshalb war es für mich wichtig, diese Räume zu haben, in denen etwas gesagt wird, das im Nachhinein keine Bedeutung mehr hat. Ich nenne es alte Erinnerungen und neue Erinnerungen.

Das habe ich erst gestern jemandem erzählt. Ich meine, das Wichtigste bei einem Besuch in unserem Laden ist nicht nur, dass man Kleidung kauft. Weißt du, ich hoffe, du kaufst etwas, bevor du gehst, aber wenn du in den Laden kommst, ohne etwas zu sehen, dann denke ich, haben wir einen Fehler gemacht.

Was war die größte Herausforderung in eurer Anfangsphase?

T-Michael: Die größte Herausforderung war vielleicht, diese wasserdichte Idee, die wir im Kopf hatten, zu verwirklichen, weil das noch niemand vor uns gemacht hat. Es gab eine Menge Regenmäntel, die hässlich waren, die man nicht tragen wollte. Es gab keine Vorlage für das, was wir vorhatten. Aber in gewisser Weise war das auch gut, denn wir wussten, was wir alles nicht in unseren Regenmantel stecken würden. Also suchten wir nach einer Möglichkeit, einen maßgeschneiderten Mantel mit einer 100% funktionalen, 100% wasserdichten Jacke zu kombinieren. Das zu vereinen war eine große Herausforderung.

Alexander: Das sehe ich auch so. Es ging also darum, ein Gleichgewicht zu finden, in dem diese Dinge, die normalerweise miteinander kollidieren, in Einklang gebracht werden. Und ich erinnere mich auch daran, dass wir schon immer die Faszination für Vintage-Möbel teilten. Wenn man auf einem schönen Stuhl bemerkt, sich hinsetzt und anfängt ihn zu berühren und überraschende, haptisch angenehme Details entdeckt. Die Liebe zum Detail zahlt sich immer aus.
Leider werden die meisten Dinge sind nicht mehr mit dieser Herangehensweise entworfen. Wir haben immer darüber gesprochen, wie wir dieses Gefühl vermitteln können, dass man etwas wirklich liebt und nicht will, dass es sich jemals abgenutzt. Die Frage war, wie wir es schaffen können, dass jemand einen wetterfesten Mantel kauft und er ihm im Laufe der Zeit immer weiter ans Herz wächst, weil er immer wieder neue Details entdeckt.  Der Kunde soll das Gefühl bekommen, dass nicht nur darum geht, es zu verkaufen, sondern nach fünf Jahren immer noch neue Funktionen entdecken. Oh, aha, das ist es, wofür dieses Ding ist. Ohh, das war eigentlich dafür. Ich bin sehr glücklich und stolz darauf, dass wir das geschafft haben. So gesehen war es hilfreich, dass wir nicht von anderen Marken beeinflusst wurden, wir haben einfach eine neue Sparte geschaffen.

Ein Wochenende in Bergen, was sind Eure Geheimtipps? Was muss man gesehen haben?

T-Michael: Ich verbinde ein Wochenende in Bergen mit Schönheit, Ruhe und einer Prise Erfrischung. Das sind Dinge, die dir niemand sagen wird, dass du sie tun sollst – vielleicht ist es nicht einmal erlaubt – aber schnapp Dir eine Flasche Champagner und geh raus zum Fløibahn und genieße die tolle Aussicht mit deiner Begleitung. Es gibt eine Menge schöner Restaurants, wirklich gutes Essen. Das Stadtzentrum ist wirklich klein. Man kann innerhalb von 20 Minuten zu Fuß die ganze Stadt erkunden.

Alexander: Geh zu Fuß und entspann dich. Mach deine Pausen. Such dir ein kleines Café. Nimm dir nicht zu viel vor, sondern erkunde einfach. Ich glaube, das ist es. Das ist eine gute Art, Bergen zu erkunden. In den kleine Straßen kann man auch die engen Gässchen erkunden, für die man in größeren Städten oft nicht die Zeit findet.

Der Mai ist eine tolle Reisezeit, und wenn du es im Mai nicht schaffst, dann warte bis September. Sei draußen und bleib draußen. So viel wie möglich.

 
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Gespräch mit Rainer Elstermann